„In der akademischen Sphäre befassen sich nur wenige mit computergestützter Arzneimittelentwicklung”

18 September 2023

Dr. Balázs Zsidó ist in Dunaújváros geboren, dort besuchte er auch das Gymnasium. Er ist 27 Jahre alt und ist Außerordentlicher Professor des Lehrstuhls für Pharmakoinformatik des Instituts für Pharmakologie und Pharmakotherapie. Seinen Abschluss machte er 2019 an der Pharmazeutischen Fakultät und bis 2022 war er Doktorand an der Medizinischen Fakultät. Als Dozent hält er an der Medizinischen Fakultät, an der Pharmazeutischen Fakultät und an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften Vorlesungen und Seminare, ist als Prüfer tätig und ist sogar Themenleiter von Diplomarbeiten und von Arbeiten im wissenschaftlichen Studentenzirkel. Er hält an zahlreichen nationalen und internationalen Konferenzen Präsentationen, unter seinen Publikationen finden wir Artikel mit der Einstufung D1 und Q1, wovon bei acht er selbst als Erstautor steht. Seine Arbeit wurde schon vielerlei anerkannt, zuletzt erhielt er 2022 den Titel hervorragender junger Doktorand der Pharmazie. Der Titel wird in Ungarn für die Pharmazeuten verliehen, die auf Landesebene auf dem Gebiet der Medikamentenforschung hervorragende Leistungen erbracht haben. Seine Forschungstätigkeit treibt er am Lehrstuhl für Pharmakoinformatik unter der Leitung von Dr. Csaba Hetényi auf dem Gebiet der Anwendung und Weiterentwicklung computergestützter Arzneimittelentwicklung. Da sich nur wenige mit diesem Thema beschäftigen, sind seine Präsentationen im In- und Ausland sehr beliebt, was sogar zu zahlreichen Kooperationen führt. Er führt computergestützte sog. Drug-Repurposing Untersuchungen in Bezug auf COCID-19 durch und erforscht auch die Wirkungsmechanismen des TRPA1-Rezeptors, der wegen des Nobelpreises für Medizin 2021 im Rampenlicht steht.

 

von Rita Schweier

 

"Mit sechzehn Jahren ist es schwierig zu entscheiden, was man in den nächsten vierzig Jahren machen möchte. Das war auch bei mir der Fall. Die Pharmazie hat mich am meisten interessiert, da sie Kenntnisse in Biologie, Chemie, Recht und Wirtschaft erfordert. Im Grunde genommen hatte ich Interesse für den Gesundheitsbereich und dafür, Menschen zu helfen. Ich war davon beeindruckt, dass nach der Einnahme von einem Medikament den Kopfschmerzen verschwindet. Mich interessierte auch der Prozess, wie das Medikament an das richtige Zielorgan gelangt und woher es weiß, dass es genau dort wirken soll und was genau passiert, bis es die richtige Wirkung erreicht.", erklärt er.

An der Pharmazeutischen Fakultät der Universität Pécs bekam Balázs Zsidó auf Anhieb einen Studienplatz. Einer der Hauptgründe, dass er sich in Pécs beworben hat, war, dass auch sein Bruder hier studierte, seinen Abschluss in Psychologie auch hier gemacht hat und später an der Fakultät für Philologie der Universität Pécs mit den Forschungen begonnen hat. Er sagt, dass er die Stadt sofort lieb gewonnen hat, weil sie einladend und familiär ist und sogar menschliche Maßstäbe hat. Ebenso ansprechend fand er die Atmosphäre der Fakultät. Sie ist nicht zu groß, so dass die Lehrkräfte und die Studierende einander kennenlernen können. Er interessierte sich besonders für die Pharmakologie, deswegen entschloss er sich für eine Promotion. Da an der Pharmazeutischen Fakultät es hauptsächlich experimentelle Themen gab und er verbrachte viel Zeit im Labor, beschloss er, etwas anderes auszuprobieren. Auf Anrat seines Bruders hat er nicht das Thema, sondern den Themenleiter gewählt: Dr. Csaba Hetényi, außerordentlicher Professor und Lehrstuhlleiter im Pharmakologischen und Pharmakotherapeutischen Institut der Medizinischen Fakultät der Universität Pécs. Bei ihm gab es zufällig sogar eine Leerstelle.

"Bis heute fasziniert mich, dass die chemischen Stoffe mit dem Körper praktisch alles anstellen können. Es gibt welche, die uns einschläfern oder die unseren Blutdruck senken oder erhöhen. Es ist sehr faszinierend, wie und warum dies passiert. Aufgrund der Grundgesetze der Physik und der Chemie versuchen wir zu beobachten und nachzubilden, was die Natur einst geschaffen hat. Wir fokussieren darauf, wie wir ein Ergebnis aus einem Experiment mit einem Computer reproduzieren können. Wenn dies uns gelingt, können wir mit der gleichen Methode solche Ergebnisse erstellen, die auf experimenteller Basis noch nicht existieren, Deswegen nehmen wir an zahlreichen methodologischen Entwicklungen teil" – sagt er.

Thema seiner Doktorarbeit war die Entwicklung und die Anwendung der Methoden der computergestützten Arzneimittelentwicklung. Anfangs beschäftigte er sich mit epigenetischen Untersuchungen, mit der Wechselwirkung zwischen den Proteinen und den Peptiden. Mit seinem Themenleiter versuchten sie einen speziellen Bereich zu finden, wo sie auf physische und chemische Schwierigkeiten treffen können. Die Peptide sind zum Beispiel recht große Moleküle, die sich gerne bewegen oder umbiegen, es ist also eine Herausforderung, sie mit ihren Proteinzielen zu verbinden. Für dieses Ziel haben sie begonnen, eine Methode zu entwickeln. Unter seinen Forschungen befindet sich zur Zeit die Entwicklung eines Medikamentes, das nicht nur gegen SARS-CoV-2, sondern auch gegen andere Viren wirksam ist. Sie versuchten einen Zielpunkt innerhalb eines Virus zu identifizieren, der vermutlich in vielen Viren vorhanden ist und hoffentlich geringe Unterschiede aufweist. Für diesen Zweck suchten sie ein leitendes Molekül, das später modifiziert werden kann.

"Am Anfang haben wir die Methode an einem zugänglichen experimentellen System, an dem Influenzavirus getestet, um uns zu vergewissern, dass sie funktioniert. Als es sich bewiesen hat, übertrugen wir die Methode auf SARS-CoV-2, da es für letzteres keine allgemein verfügbaren experimentelle Daten gab. Im Nationalen Labor für Virologie erwies sich dieses Molekül in Zellexperimenten wirksam und wir durften mit der Modifizierung dieser Moleküle beginnen, damit diese mit dem Virusprotein stärker interagieren und dadurch die Teilung des Virus verhindert. Zurzeit werden diese Verbindungen in Szeged synthetisiert und danach erfolgt eine weitere Probe" – erläutert er.

Dr. Balázs Zsidó und sein Team denken auf atomarer Ebene. Sie beobachten, welche Aminosäure innerhalb eines Proteins mit welchem ihrer Atome interagiert und wie dies transformiert werden kann, um die Interaktion an derselben Stelle weiter zu verstärken. Ihr Ziel ist, mit der geeigneten Methode zu den Informationen zu gelangen, die experimentell nicht zugänglich sind.

Er nimmt sowohl an der Forschung von Entzündung und Schmerz im Zusammenhang mit TRPA1 und Somatostatin Rezeptoren als auch an Untersuchungen zu pharmakokinetischen Interaktionen teil, d. h. die Interaktion von zwei Medikamenten oder von einem Medikament mit einem Protein im Körper. In der ersten Forschung arbeitet er in der Forschungsgruppe von Professorin Dr. Erika Pintér, und bei der zweiten Forschung entstanden mehrere gemeinsame Publikationen mit der Pharmazeutischen Fakultät.

Er betont, dass für die computergestützte Arzneimittelentwicklung seien nicht nur fundierte Kenntnisse der physischen und chemischen Gesetzmäßigkeiten nötig, sondern sie erfordert auch eine gute Ausbildung in Informatik. Ihm war von großem Vorteil, dass sein Vater Informatiklehrer ist. Er muss Programme schreiben und sie anwenden können, um die eigene Arbeit zu erleichtern bzw. die Ergebnisse zu interpretieren und sie im Artikel verständlich formulieren zu können. Soweit er weiß, beschäftigen sich an den Hochschulen nur wenige mit computergestützter Arzneimittelentwicklung.

"Das Erstaunlichste an der Forschung ist, wenn man etwas entdeckt, kommen zehn weitere Dinge dazu, die man entdecken könnte. Darin liegt sowohl die Schönheit als auch der Reiz. Es ist zwar frustrierend, wenn man das erwartete Ergebnis nicht erhält, aber man muss das mit Demut hinwegnehmen. Die Natur ist ja nicht so, wie wir sie haben wollen. Wenn wir bestrebt sind, – ohne uns zeitliche Rahmen zu setzen – schöne, reine und ehrliche Arbeit zu leisten, dann gesellt sich irgendwann auch das Glück zu uns." – fasst er zusammen.

Fotos:

Dávid VERÉBI